
Familien und Freundeskreis
„Neppeser Lappejunge”
Zur Förderung des Straßenkarnevals
und der Kölschen Sprache
„Lappen” sind laut Sprichwörterbuch ein „niederhängendes Stück Zeug” bzw. „ein Zipfel am Kleid”. Im niederrheinischen auch ein „Tuch- oder Lederfleck”. Folgt man der Wortgeschichte von „Lappen” weiter, ergeben sich erstaunliche Querverbindungen zu anderen Wortfeldern, so Lappen gleich Fetzen als „Tadel weiblicher Lebensart und Rede” (s. läppisch). Im kölschen Dialekt finden sich weitere Anwendungsfelder („Mir lappe, mir pappe” und „de Lappe schwade” usw.), denen hier aber nicht weiter nachgegangen werden soll.
Lappen als „Zipfel am Kleid” bzw. „Tuchfleck” führt uns zu unseren prächtigen „Lappejungen”. Denn nicht der Flicken auf dem Loch, die Reparatur eines Schadens ist das Prinzip unserer „Lappejungen”, sondern mit Hilfe von Flecken, Flicken bzw. Lappen etwas Neues, Schönes, Buntes, Auffallendes, Prächtiges entstehen zu lassen. Das über und über aus „ärmlichen” Flicken geschaffene Kostüm steht im Kontrast zur offiziellen Kostümierung unserer Garden und ihren Uniformen. Alternativ und persiflierend, karnevalistisch bunt und anstößig anders will das aus bunten Flicken gebildete Kostüm sein. So ist es zu dem Kostüm der Veedels-, Stammtisch- und Familiengesellschaften geworden.
Eine solche Gesellschaft ist unser „Neppeser Lappejunge”-Verein seit dem Gründungsjahr 1965.
Und wie fast immer steht am Anfang ein kleiner Kreis, ein Stammtisch von Gleichgesinnten, die gemeinsam Spaß an d’r Freud
haben wollen. Zwölf sind es am Anfang, eine bemerkenswerte Zahl (Apostel!), die Erfolg selbstverständlich macht – 10 Jahre später sind es fünfundzwanzig, die im gemeinsamen Lappenkostüm, selbstverständlich alles selbst geschneidert, Karneval feiern – und damit nach draußen gehen, in der Öffentlichkeit auftreten.
Das Motto des Rosenmontagszuges 1965 „Olympiade der Freude” war wohl ausreichender Ansporn, dabei sein zu wollen. Dabei war das Jahr 1965 ein Jahr mit vielen Höhepunkten für die Stadt Köln und ihre lange Geschichte.
Es gab hohen Besuch: Die englische Königin Elisabeth II. war zu Gast, sehr tief im Boden wurde man fündig mit dem Poblicius-Grabmal und dem „Ubier”-Monument aus den ersten Jahren nach Christi Geburt, der 12. Deutsche Evangelische Kirchentag wird in Müngersdorf gefeiert – also ein Jahr mit zahlreichen Höhepunkten – genau das richtige Umfeld für die Gründung der Lappejunge.
Gründungspräsident war Adolf Paolucci, der aber wegen starker beruflicher Inanspruchnahme sein Amt nach drei Jahren an Hans Herbert Hild weitergab. Und das Bemerkenswerte und Erstaunliche an der Vereinsgeschichte ist: seitdem gibt es keinen Wechsel im Amt der Vereinsvorsitzenden mehr.
Fast alle Gründungsmitglieder sind dem Verein erhalten geblieben. Heute sind es nun über 60 Mitglieder.
Bei vielen Anlässen und Gelegenheiten, mit vielen Veranstaltungen zeigen sich die Lappejunge in der Nippeser Öffentlichkeit und im Karneval.
Zuerst und vor allem im Dienstagszug der Nippeser Karnevalsvereine. Diese Heerschau des Karnevals ist inzwischen auf mehr als 70 Gruppen angewachsen. Dieser Tag ist für Vereine von der Größe und Bedeutung der Lappejunge das wichtigste Ereignis des Jahres.
Der herrlich-bunte Gruppe, der in den letzten Jahren genutzte Doppeldeckerbus – ein unbestreitbarer Höhepunkt des Zuges und für die Teilnehmer wie Zuschauer ein Riesenspaß. Der Kamelle-Hagel, die Blömche-Flut aus der Höhe des Busses – Prinz Karneval kann es nicht besser haben.
Kölscher Fasteleer, in seinen Ursprüngen – urtümlich, ursprünglich, dem hergebrachten Brauchtum eng verbunden, spontan – das ist es, was den Karneval im Veedel des Veedelsvereins aus Nippes ausmacht.
Die kölsche Sprache wird gepflegt, eng sind die Beziehungen zur Kölsch-Akademie, Lesungen, von Gaby Amm bis Gravelot, gehören zum Programm der Lappejunge. Es ist also nicht nur Karneval, sondern auch, und in sehr starkem Maße, Brauchtumspflege. Aber vielleicht kann man hier keine Unterschiede machen, gehört beides doch zu sehr zusammen – zumal da, wo im Veedel der Karneval noch ursprünglich kölsch ist, die steifen Apelle der Corps eher belächelt als auch nur annähernd imitiert werden. Gibt es im Karneval noch eine anarchistische Grundströmung, dann ist sie hier, im Veedelskarneval vor allem zu finden.
1975 - zehn Jahre später ist der Verein fest etabliert. Hans H. Hild und seine Frau Roswitha öffnen sämtliche Türen und (Garten-)Pforten für die große Familie der Lappejunge. Ihre Arme sind weit geöffnet, so findet auch der Verfasser, als echter Nippeser, mitsamt seiner Familie hier freundliche Aufnahme.
1975 war für die Stadt ein herausragendes Jahr: erstmals seit 1914, damals kam Mülheim zu Köln, vergrößerte sich die Stadt wieder - auf Kosten der Nachbarn, im Westen (u.a. Junkersdorf), im Süden (Rodenkirchen) und der Schäl-Sick mit Porz. Die Stadt konnte mit Schiller und Beethoven jubilieren: „Seid umschlungen, Millionen”! So auch das Motto des Rosenmontagszuges.
Für die Lappejunge war die Teilnahme am Nippeser Karneval - so vor allem die Teilnahme am Dienstagszug in Nippes, inzwischen in Weidenpesch und Nippes - schon sehr früh selbstverständlich, so auch 1975. Seit mehr als 30 Jahren immer dabei - mit allen Mitgliedern, jung und alt. Das eben zeichnet den Familienverein aus: Man hält zusammen, man feiert gemeinsam, ein familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl trug und trägt den Verein hervorragend durch die nun über vierzog Jahre seines Bestehens.
Natürlich gehören weitere Geselligkeiten und Veranstaltungen im Jahresverlauf zum Programm. Sowohl die Radtouren, sorgfältig vorbereitet, zu zuvor unbekannten Zielen, als auch Fahrt ins Blaue, der „Tanz in den Mai”, eine Weihnachtsfeier für die Kleinen und Großen, wo der Nikolaus denen kräftig die Leviten liest, die etwas nachlässig geworden sind in der Wahrnehmung ihrer Pflichten.
Aber zuvor, mit der Feier zum 11.11., wird die Karnevals-Session zünftig eingeleitet. Der große Karnevals-Ball, seit letztem Jahr in der Scheune des Altenberger Hofes, ist dann ein weiterer Höhepunkt im karnevalistischen Leben und Treiben der Lappejunge. Kräfte aus dem Kölner Karneval, aber auch viele Freunde aus anderen Vereinen, so die „Löstige Kölsche Afrikaner” (LKA) mit ihren Auftritten von Gesang bis Tanz oder als Nippeser Dreigestirn (dem ersten übrigens) sorgen für beste Stimmung und echten Fasteleer im Veedel. Dazu tragen nicht zuletzt ein vorzügliches Buffet und die zivilen Preise der Getränke bei.
Nach dem Dienstagszug ist im Stammquartier, dem Hannes-Plätzchen, der stimmungsvolle Kehraus mit der Nubbel-Verbrennung am Vorabend des Aschermittwoch.
Ein gemeinsames Fischessen wenige Tage später gibt dem karnevalistischen Sessionstreiben den kulinarischen Abschluss.
So rundet sich der, nicht nur karnevalistische, Kreislauf des Jahres mit den Fastentagen nach Karneval, um mit frischen Kräften in den Sommer und in die Vorbereitungen einer neuen Session zu starten.
1990, beim 25jährigen Jubiläum, konnte Hans H. Hild als Präsident der ”Lappejunge„ zu Recht und mit Stolz feststellen: „25 Jahre so unbeschadet hinter sich zu bringen, ist eine sehr stolze Ära.”.
Dies gilt umso mehr für den 40. Geburtstag. Die festen Bande des Familien-Vereins haben sich nicht nur über 40 Jahre als stabil und zuverlässig erwiesen, sie haben zusätzlich eine beträchtliche Attraktion gezeigt. So sind nicht nur viele Mitglieder seit der „ersten Stunde” dabei, sondern ihre erfolgreiche Arbeit hat den Familien-Verband noch wachsen und gedeihen lassen.
Man fühlt sich rundum wohl in einem solchen Verein, und dass „Spaß an d’r Freud” ansteckend ist, beweist das Anwachsen des Vereins auf nun über 60 Mitglieder. 1990, als man 25 Jahre feiern konnte, war das karnevalistische Motto: „Hereinspaziert, hereinspaziert - zur größten Schau der Welt ”. Dieses Motto hat für das Jahr 1990 natürlich seine besondere, auch erweiterte Bedeutung: endet doch mit 1990 die deutsche Teilung, wird die deutsche Einheit wiederhergestellt, „spazieren” die ca. 17 Millionen der DDR in die Bundesrepublik Deutschland als geeintes Land von Aachen bis Greifswald.
Auch in der Stadt vollzieht sich in diesem Jahr wichtiges: das „Hotel im Wasserturm” wird eröffnet, Köln bekommt einen neuen Oberstadtdirektor, der Heumarkt sein Denkmal für Friedrich Wilhelm III. wieder und 4711 verabschiedet sich in Raten von seiner bisherigen (Namens-)Geschichte.
Auch 1995 beim 30jährigen Jubelfest der „Lappejunge” ist das offizielle Karnevals-Motto den Nippesern wie auf den Leib geschneidert: „Colonie ruft die Narren aller Länder ”. Man sieht, dem unaufhaltsamen Anwachsen unserer Lappejungen-Schar zollt das Festkomitee im 5-Jahres-Rhythmus seinen Tribut.
Nun am Ende einer 40jährigen Wachstumsperiode kann der Verein nicht nur auf seine Erfolgsgeschichte zufrieden zurückblicken, sondern auch mit großer Zuversicht nach vorne.
Das 50jährige Jubiläum fest im Auge ist alles bestens bereitet, auch künftig eine feste Größe im Nippeser Karneval zu sein und anderen „vill Spaß an d’r Freud” zu machen.
Franz Irsfeld
- geschrieben 2005 -
- Ehrenmitglied der Neppeser Lappejunge - |